Erziehung
1st der Mensch zu Beginn seines Lebens gut oder schlecht?
Der Mensch ist bei der Geburt mit seinen ererbten, teils entwicklungsrichtig, teils entwicklungswidrig wirkenden Regelstrukturen begabt, die im Laufe des Lebens durch Erziehung, andere Mitwelteinfüsse und Verhaltensweisen, die sich daraus ergeben, verstärkt und abgeschwächt werden.
Die wichtigsten Aufgaben der Schulen
Die jungen Menschen zum entwicklungsrichtigen Denken und Handeln erziehen, und ihre Fähigkeit des Denkens und der Bewußtheit so weit entwickeln, wie ihre Erbanlagen es ermöglichen. Unter anderem durch ständige praktische Übungen entwicklungsrichtige Verhaltensweisen ausbilden, wie Selbstbeherrschung, Menschenliebe, Umsicht, Tatkraft, Ordnung, Sauberkeit, Pünktlichkeit, Verläßlichkeit.26
Weiterbildung
Die ständige Fortbildung des Denkvermögens, der Bewußtheit und die Vermehrung des Wissens sind für die Lebensgestaltung des Menschen wichtig.
Nur dadurch kann er die entwicklungsrichtigen Ziele und Aufgaben auf allen seinen Daseinsgebieten mit zunehmender Genauigkeit erkennen und die Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung immer sicherer auswählen und durchführen.
Selbstkontrlle
Disziplin – die ständige Kontrolle der Verhaltensweisen, des Denkens und Handeins – ist unentbehrlich.
Ohne feste Zucht können wir unsere entwicklungsrichtigen Ziele und Aufgaben nicht befriedigend verwirklichen. Ohne Disziplin verläuft unser Leben wie ein «leeres Geschwätz».
Einige entwicklungsrichtige Regeln für die Kindererziehung
Das Kind über das entwicklungsrichtige, Freude und Heil bewirkende und über das entwicklungswidrige, Unfreude und Unheil verursachende Denken und Handeln aufklären.
Das Kind dazu anhalten, die eigenen und die Verhaltensweisen der Mitmenschen – auch der Erzieher – ständig zu prüfen, ob sie entwicklungsrichtig sind.
Dem Kind die entwicklungsrichtige Liebe zum Mitmenschen lehren (Hilfsbereitschaft, Rücksicht, Verzeihen des Unrechts, Höflichkeit, Dankbarkeit und so fort). Aber es auch darüber aufklären, daß es die entwicklungswidrigen Verhaltensweisen der Mitmenschen ablehnen und sich vor ihnen schützen muß.
Das Kind immer wieder erleben lassen: Selbstbeherrschung, Sauberkeit, Ordnung sind für die Gesundheit des Körpers, seine Leistungsfähigkeit und für das menschliche Zusammenleben wichtig, unerläßlich.
Dem Kind, von früher Jugend an, entwicklungsrichtige, die Gemeinschaft (Familie und so fort) fördernde Aufgaben zuordnen und es lehren, diese umsichtig und tatkräftig auszuführen.
Hohe Erwartungen an die Leistungsfähigkeit des Kindes stellen, und es ermutigen.
Das Kind uneingeschränkt lieben. Auch wenn es sich anders verhält, als wir gern möchten. Und es auf das entwicklungsrichtige Verhalten mit Geduld und Güte hinlenken.
Das Kind muß sich unbedingt auf uns verlassen können. Es muß wissen und täglich erleben, daß wir die entwicklungsrichtigen Verhaltensweisen unterstützen und die entwicklungswidrigen ablehnen.
Feste Führung
Solange die Kinder und Halbwüchsigen nicht ausreichend selbständig denken können, noch nicht das Wissen und die Erfahrung haben, um die – für die eigene Entwicklung und für die Beziehungen zur Mitwelt – entwicklungsrichtigen Verhaltensweisen zu erkennen und anzuwenden, brauchen sie eine feste, aber gütige, geduldige Führung.
Die Vernachlässigung dieser Führung zu entwicklungsrichtigem Denken und Handeln durch Eltern, Elternvertreter und Schule ist falsch und ein schwerwiegendes menschliches Versagen.
Protest und Pflicht
Oft protestieren die Jungen gegen die Erwachsenen, nur um sich vor ihrer «Pfliht» zu drücken.
Was ist «Pflcht»? In der jeweiligen Lage sich entwicklungsrichtig – lebensfördernd – zu verhalten.
Gute und schlechte Beispiele
Das Verhalten der Menschen, und auch die Darstellung menschlicher Verhaltensweisen, prägen in den Mitmenschen Regel strukturen, die deren künftiges Verhalten beeinflusen.
Dies erklärt die segensreiche Wirkung der «guten» und die abträgliche der «schlechten» Beispiele.
Je weniger bewußt die Menschen sind, desto unbehinderter von Zweifeln und Kritik, und daher unmittelbarer und stärker, prägen sich in ihnen Regelstrukturen, die ihr künftiges Verhalten mitbestimmen. Deshalb sollten den Kindern, Halbwüchsigen und den unkritischen Erwachsenen, zum Beispiel, niemals entwicklungswidrige Verhaltensweisen im Fernsehen, Film, Rundfunk, Theater und in Druckwerken dargeboten werden, ohne gleichzeitig deutlich zu machen, daß – und aus welchen Gründen – sie entwicklungswidrig, daher abzulehnen sind.
Zuchtlosigkeit
Die Zügellosen sollten von der Gemeinschaft in festen Schranken gehalten werden, solange sie dazu selbst nicht fähig sind, und mit ihren entwicklungswidrigen Verhaltensweisen ihre Mitwelt gefährden und schädigen.
Psycho-Analyse und Verhaltenstherapie
Das Aufdecken der Entstehungsursachen von entwicklungswidrigen Verhaltensweisen («ehlverhalten») ist zwar für das Verständnis der psychischen Zusammenhänge und ihrer Wirkungen wichtig. Aber damit sind entwicklungswidrige Verhaltensweisen nicht zu überwinden.
Entwicklungswidrige Verhaltensweisen lassen sich nur ausschalten, wenn die Regelstrukturen, die sie verursachen, gelöscht und durch Regelstrukturen für ein entwicklungsrichtiges Verhalten ersetzt werden. Das Prägen und Löschen von Regelstrukturen geschieht, wie wir wissen, durch unbewußtes und bewußtes Lernen (Er-fahren, Konditionieren).
Um die Menschen von ihrem Fehlverhalten sicher zu befreien, genügt es deshalb, ihnen
- klarzumachen, daß die Regelstrukturen – die Lenkungsprogramme und – mechanismen – die ihr entwicklungswidriges Denken und Handeln auslösen und bestimmen, teilweise ererbt wurden, und teilweise sich durch die Erfahrungen mit dem eigenen Körper und durch Mitwelteinflüsse – besonders nachhaltig in den ersten fünf Lebensjahren – gebildet haben;
- zu erläutern, welche entwicklungsrichtigen Verhaltensweisen sie anstreben sollten, um ihr Fehlverhalten zu überwinden;
- zu helfen, diese entwicklungs
- richtigen
Verhaltensweisen systematisch, Schritt für Schritt zu erlernen.
Die Erforschung der erb-und mitweltbedingten Ursachen für die Entstehung der Regelstrukturen, die das Fehlverhalten bewirken, ist für dessen Überwindung nicht erforderlich.27
26Mit den, voraussichtlich auch in der Zukunft, rasch zunehmenden Kenntnissen und technischen Fähigkeiten der Menschen wächst explosionsartig die Gefahr ihrer Sclbstzerstörung und des Chaos, wenn es nicht gelingt, ihnen unauslöschbar einzuprägen, daß alles Wissen und Können nur in entwicklungsrichtiger – lebensfördernder – Weise verwendet werden darf.
27Vergleiche u. a. H. J. Eysenck «Neurose ist heilbar» (Fischer-Verlag).